Veröffentlicht am Mai 17, 2024

Die wahre Stärke von Mobilitäts-Apps liegt nicht nur darin, Optionen aufzuzeigen, sondern alle Verkehrsmittel von der Buchung bis zur Bezahlung nahtlos zu integrieren und so eine echte Alternative zum Auto zu schaffen.

  • Intelligente Algorithmen erstellen im Hintergrund optimale „Reiseketten“, die Ihre persönlichen Präferenzen wie Kosten, Zeit oder CO₂-Ausstoß berücksichtigen.
  • Echte Integration (MaaS) geht weit über reine Routenplanung hinaus und erfordert ein offenes Daten-Ökosystem, in dem öffentliche und private Anbieter zusammenarbeiten.

Empfehlung: Ersetzen Sie für eine Woche bewusst eine Ihrer typischen Autofahrten durch eine Reise, die Sie komplett über eine lokale MaaS-App wie Jelbi oder hvv switch planen und buchen, um die nahtlose Erfahrung selbst zu erleben.

Der tägliche Stau auf dem Weg zur Arbeit, die endlose Suche nach einem Parkplatz, die steigenden Kosten für Sprit und Versicherung – für viele Stadtbewohner wird das eigene Auto zunehmend zur Belastung. Gleichzeitig explodiert das Angebot an Alternativen: E-Scooter an jeder Ecke, Carsharing-Fahrzeuge, Leihräder und ein immer dichterer öffentlicher Nahverkehr. Doch diese Vielfalt führt oft zu einer neuen Form von Komplexität: eine App für den Bus, eine für den Roller, eine weitere für das Leihauto. Man steht vor einem Puzzle aus Möglichkeiten, das mühsam zusammengesetzt werden muss.

Die gängige Antwort auf dieses Problem scheint in der reinen Bündelung von Informationen zu liegen. Viele Apps zeigen zwar verschiedene Verkehrsmittel an, doch für die Buchung und Bezahlung wird man oft zu den einzelnen Anbietern weitergeleitet. Aber was wäre, wenn die eigentliche Revolution nicht in der sichtbaren Vielfalt, sondern in der unsichtbaren Intelligenz im Hintergrund stattfindet? Wenn die wahre Lösung darin besteht, diese fragmentierten Dienste zu einer einzigen, flüssigen Nutzererfahrung zu verschmelzen, die so einfach und zuverlässig ist, dass sie die letzten Argumente für den Besitz eines eigenen Autos entkräftet? Genau hier setzen echte „Mobility as a Service“ (MaaS)-Plattformen an.

Dieser Artikel taucht tief in die Architektur dieser digitalen Ökosysteme ein. Wir analysieren, wie sie funktionieren, warum offene Daten dafür unerlässlich sind und wie sie die urbane Mobilität in Deutschland grundlegend verändern. Von der personalisierten Routenplanung bis zum fairen Ticketing werden wir die Mechanismen aufdecken, die das Versprechen einer autofreien Zukunft endlich in greifbare Nähe rücken.

Der folgende Leitfaden führt Sie durch die Schlüsselelemente, die eine einfache Routen-App von einer allumfassenden Mobilitätsplattform unterscheiden. Er beleuchtet die technologischen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen auf dem Weg zu einer vollständig integrierten urbanen Mobilität.

Nur den Weg anzeigen oder auch das Ticket buchen? Der evolutionäre Sprung zur echten MaaS-Plattform

Der entscheidende Unterschied zwischen einer einfachen Navigations-App und einer echten MaaS-Plattform (Mobility as a Service) liegt in der sogenannten Tiefenintegration. Während erstere oft nur verschiedene Routenoptionen anzeigt und den Nutzer für die Buchung auf externe Apps verweist, ermöglicht eine tiefenintegrierte Plattform alles an einem Ort: von der Routenplanung über die Buchung bis zur Bezahlung. Dies erfordert eine einmalige Registrierung und die Hinterlegung einer Zahlungsmethode. Danach kann der Nutzer nahtlos zwischen U-Bahn, Leihrad, E-Scooter oder Carsharing wechseln, ohne jemals die App verlassen zu müssen.

Dieses Prinzip verwandelt eine Ansammlung von Diensten in ein kohärentes Ökosystem. Es ist der Sprung von einer reinen Informationsanzeige zu einer echten Transaktionsplattform. Für den Nutzer bedeutet das eine radikale Vereinfachung. Anstatt mehrere Konten und Zahlungsinformationen zu verwalten, wird die gesamte Mobilität über einen einzigen digitalen Zugangspunkt abgewickelt. Die Komplexität wird in den Hintergrund verlagert, und die User Experience rückt in den Mittelpunkt.

Fallbeispiel: BVG Jelbi integriert TIER

Ein frühes Beispiel für diese Tiefenintegration in Deutschland ist die Jelbi-App der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Von Anfang an war das Ziel, alle Sharing-Angebote in einer einzigen App zu bündeln. TIER Mobility war der erste E-Scooter-Anbieter, der vollständig integriert wurde. Nutzer konnten sich in der Jelbi-App registrieren, ihre ID verifizieren und direkt einen TIER-Scooter buchen und bezahlen, ohne die TIER-App installieren zu müssen. Constantin Winckler, damaliger City Manager von TIER in Berlin, bezeichnete dies als „tolle Auszeichnung“, die den Weg für eine nahtlose Verknüpfung von ÖPNV und Mikromobilität ebnete.

Die technische Umsetzung dieser Vision ist anspruchsvoll. Sie erfordert standardisierte Schnittstellen (APIs) zwischen dem Plattformbetreiber und den Mobilitätsdienstleistern. Nur so können Verfügbarkeiten in Echtzeit abgefragt, Buchungen durchgeführt und Zahlungen sicher abgewickelt werden. Das Ergebnis ist eine User Experience, die der Einfachheit eines eigenen Autos ebenbürtig – oder sogar überlegen – ist.

Intelligente Reiseketten: Wie multimodale Apps die Komplexität im Hintergrund managen und Ihnen den besten Deal vorschlagen

Das Herzstück einer jeden fortschrittlichen MaaS-App ist der Algorithmus zur Erstellung intelligenter Reiseketten. Dieser geht weit über eine simple A-nach-B-Routenplanung hinaus. Stattdessen analysiert er in Sekundenbruchteilen unzählige Kombinationen verschiedener Verkehrsmittel, um die optimale Verbindung für Ihre spezifischen Bedürfnisse zu finden. Die App weiß, wo die nächste U-Bahn-Station ist, ob dort gerade ein E-Scooter zur Überbrückung der „letzten Meile“ verfügbar ist und ob es sich vielleicht sogar lohnt, für einen Teil der Strecke ein Ride-Sharing-Shuttle wie MOIA zu nutzen.

Diese Komplexität wird vollständig im Hintergrund gemanagt. Der Algorithmus berücksichtigt Echtzeit-Verkehrsdaten, Fahrpläne des ÖPNV, den Akkustand von Sharing-Fahrzeugen und sogar Wetterbedingungen. Das Ergebnis, das dem Nutzer präsentiert wird, ist keine unübersichtliche Liste von Möglichkeiten, sondern eine kuratierte Auswahl der sinnvollsten Reiseketten – oft sortiert nach Kriterien wie schnellste, günstigste oder umweltfreundlichste Option.

Abstrakte Darstellung von Verkehrsströmen und Algorithmus-Optimierung in städtischer Umgebung

Wie dieses Schema andeutet, geht es darum, verschiedene Verkehrsströme zu einem harmonischen Ganzen zu vereinen. Die hvv switch App in Hamburg integriert beispielsweise Dienste wie MOIA-Shuttles, SIXT share, MILES und verschiedene E-Scooter-Anbieter in einer Oberfläche. Diese Bündelung ermöglicht es dem System, Vorschläge zu machen, die ein Nutzer manuell niemals in Betracht ziehen würde, wie etwa die Kombination aus S-Bahn und einem On-Demand-Shuttle für die letzte Meile.

The Shuttle-on-Demand from MOIA combines the flexibility of a private car with the environmental friendliness of local public transport.

– Robert Henrich, MOIA COO

Diese Fähigkeit, verschiedene Dienste zu einer durchgehenden Kette zu verknüpfen, ist der Schlüssel, um die Flexibilität des eigenen Autos zu übertreffen. Sie bietet nicht nur eine, sondern Dutzende von Lösungen für jedes Mobilitätsbedürfnis, intelligent orchestriert durch eine einzige App.

Die schnellste, die billigste oder die gesündeste Route? Wie Sie Ihrer Mobilitäts-App beibringen, was Ihnen wichtig ist

Eine herausragende User Experience entsteht dann, wenn sich die Technologie an den Menschen anpasst – nicht umgekehrt. Moderne MaaS-Plattformen gehen deshalb über generische Routenvorschläge hinaus und ermöglichen eine weitreichende Personalisierung. Nutzer können der App ihre individuellen Prioritäten mitteilen, die der Algorithmus bei der Erstellung der Reiseketten berücksichtigt. Sie wollen immer den schnellsten Weg, egal was es kostet? Oder ist Ihnen ein möglichst geringer CO₂-Fußabdruck am wichtigsten, auch wenn es etwas länger dauert? Vielleicht benötigen Sie auch eine barrierefreie Route ohne Treppen.

Durch die Einrichtung von Nutzerprofilen lernt die App, was Ihnen wichtig ist. Ein „Eltern-Profil“ könnte beispielsweise Routen mit wenig Umstiegen und barrierefreiem Zugang für Kinderwagen priorisieren, während ein „Geschäftsreise-Profil“ Pünktlichkeit und Komfort in den Vordergrund stellt. Diese Personalisierung macht die App zu einem echten digitalen Mobilitätsassistenten, der mitdenkt und proaktiv die besten Lösungen für die jeweilige Lebenssituation vorschlägt.

Eine Analyse verschiedener Nutzergruppen zeigt, wie unterschiedlich die Anforderungen sein können. Die folgende Tabelle illustriert einige typische Profile und deren Prioritäten in deutschen MaaS-Systemen.

Nutzerprofile und Prioritäten in deutschen MaaS-Apps
Profil-Typ Hauptpriorität Sekundäre Faktoren Vermiedene Optionen
Eltern-Profil Barrierefreiheit Wenig Umsteigen, Kindersitze Treppen, häufige Wechsel
Geschäftsreise-Profil Pünktlichkeit Komfort, Spesenabrechnung Unsichere Verbindungen
Barrierefrei-Profil Zugänglichkeit Aufzüge, Niederflur Nicht-barrierefreie Routen
Öko-Profil CO₂-Minimierung Aktive Mobilität Individualverkehr

Ein weiterer innovativer Ansatz zur Personalisierung ist das Mobilitätsbudget. Anstatt eines Dienstwagens stellen Unternehmen ihren Mitarbeitern ein monatliches Budget zur Verfügung, das flexibel für alle in der MaaS-App integrierten Verkehrsmittel genutzt werden kann – sowohl für berufliche als auch für private Fahrten. Das in Hamburg erfolgreich getestete „hvv M“ ist ein solches Modell, das es Mitarbeitern ermöglicht, ihre Mobilität ganz nach ihren eigenen Präferenzen zu gestalten und gleichzeitig eine nachhaltige Alternative zum Firmen- oder Privatwagen zu fördern.

Ohne offene Daten keine intelligente Mobilität: Warum Verkehrsunternehmen ihre Daten teilen müssen

Die nahtlose User Experience und die intelligenten Algorithmen von MaaS-Plattformen haben eine unsichtbare, aber unverzichtbare Grundlage: offene und zugängliche Daten. Damit eine App die beste Reisekette erstellen kann, benötigt sie Zugriff auf eine Fülle von Informationen aus unterschiedlichsten Quellen. Dazu gehören statische Daten wie Liniennetze und Fahrpläne, aber vor allem dynamische Echtzeitdaten: die genaue Position von Bussen und Bahnen, die Verfügbarkeit von Sharing-Fahrzeugen an einer bestimmten Station oder Informationen über Störungen und Verspätungen.

Die Herausforderung besteht darin, dass diese Daten oft in den Silos der einzelnen Verkehrsunternehmen und Mobilitätsdienstleister gefangen sind. Um ein funktionierendes, stadtweites Daten-Ökosystem zu schaffen, müssen diese Akteure bereit sein, ihre Daten über standardisierte Schnittstellen (APIs) bereitzustellen. Nur wenn alle relevanten Informationen auf einer zentralen Plattform zusammenfließen, kann der Algorithmus sein volles Potenzial entfalten. Wie T-Systems betont, ist die Zusammenführung verschiedener Verkehrsmittel auf einer einzigen Plattform nur mit umfangreichen Datenquellen möglich.

In Deutschland wird die Notwendigkeit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Datenbereitstellung zunehmend diskutiert. Freiwillige Kooperationen sind ein guter Anfang, aber um eine flächendeckende und zuverlässige Abdeckung zu gewährleisten, könnten regulatorische Rahmenbedingungen erforderlich sein. Diese würden sicherstellen, dass alle relevanten Akteure ihre Daten in einem standardisierten Format zur Verfügung stellen müssen, was die Entwicklung und den Betrieb von MaaS-Plattformen erheblich erleichtern würde.

Ohne eine rechtliche Verpflichtung zur Datenbereitstellung wird es vollintegrierte multimodale digitale Plattformen kaum geben.

– BeNaMo Forschungsprojekt, Begleitforschung Nachhaltige Mobilität

Letztendlich ist die Datenverfügbarkeit der entscheidende Engpass für die Skalierung intelligenter Mobilitätslösungen. Ohne einen freien und standardisierten Fluss von Echtzeitinformationen bleiben selbst die besten App-Konzepte nur ein Flickenteppich aus unvollständigen Lösungen.

Wem gehört die Mobilität der Zukunft? Der Kampf zwischen privaten Tech-Giganten und öffentlichen Anbietern

Während die technologische Vision einer integrierten Mobilität klar ist, tobt im Hintergrund ein strategischer Kampf um die Kontrolle dieser neuen Ökosysteme. Grundsätzlich gibt es zwei konkurrierende Modelle: das öffentlich geführte Modell und das marktgetriebene Modell privater Aggregatoren. Beide Ansätze haben in Deutschland prominente Vertreter und werfen die entscheidende Frage auf: Wem gehört die Mobilitätsplattform der Zukunft?

Das Berliner Modell, verkörpert durch die Jelbi-App der BVG, ist ein Beispiel für einen öffentlich geführten Ansatz. Hier behält der städtische Verkehrsbetrieb die Kontrolle über die Plattform, die Daten und die Kundenbeziehung. Private Anbieter wie TIER, MILES oder Nextbike werden als Partner in diese Plattform tiefenintegriert. Der Vorteil liegt in der Möglichkeit, die Mobilität im Sinne des Gemeinwohls zu steuern, den ÖPNV als Rückgrat zu stärken und eine faire, transparente Angebotslandschaft zu schaffen. Die von Trafi entwickelte Jelbi-Plattform, die kürzlich ihr 5-jähriges Bestehen feierte, wurde gezielt konzipiert, um die hohe Abhängigkeit vom Privat-Pkw zu reduzieren.

Kontrast zwischen öffentlichen und privaten Mobilitätslösungen in deutscher Stadt

Demgegenüber steht das Münchner Modell, das stärker von privaten Aggregatoren wie FREE NOW (ehemals ein Joint Venture von BMW und Daimler) oder Sixt geprägt ist. In diesem marktgetriebenen Ansatz konkurrieren verschiedene private Plattformen darum, möglichst viele Mobilitätsdienste zu bündeln und die attraktivste App für den Endkunden anzubieten. Dies kann Innovation und Wettbewerb fördern, birgt aber auch die Gefahr, dass öffentliche Interessen wie die Stärkung des ÖPNV oder die soziale Teilhabe in den Hintergrund treten und die Datenkontrolle bei wenigen großen Tech-Unternehmen liegt.

Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede der beiden Modelle zusammen und zeigt, dass die Wahl des Governance-Modells weitreichende Konsequenzen für die Gestaltung der urbanen Mobilität hat.

Berliner vs. Münchner Modell der MaaS-Governance
Aspekt Berliner Modell (Jelbi/BVG) Münchner Modell
Kontrolle Öffentlicher Verkehrsbetrieb (BVG) Private Aggregatoren (FREE NOW, Sixt)
Integration Tiefe Integration aller Anbieter Marktgetriebener Wettbewerb
Datenkontrolle Öffentliche Hand Private Unternehmen
Nutzer (2024) 885.000+ App-Downloads Verschiedene konkurrierende Apps

Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, doch für eine nachhaltige und sozial gerechte Verkehrswende scheint das öffentlich geführte Modell Vorteile zu bieten, da es die Steuerung der Mobilität als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge begreift.

Eine App für alle Wege: Wie MaaS den Besitz eines eigenen Autos überflüssig machen wird

Die ultimative Vision von Mobility as a Service ist klar: ein Mobilitätsangebot zu schaffen, das so flexibel, zuverlässig und einfach ist, dass der Besitz eines privaten Pkw für die meisten Stadtbewohner überflüssig wird. Ein multimodales System kann mindestens die gleiche Flexibilität und Verfügbarkeit bieten, jedoch zu deutlich geringeren finanziellen und ökologischen Kosten. Die Kombination aus einem starken öffentlichen Nahverkehr und einem dichten Netz an Sharing-Diensten garantiert ein hohes Maß an Mobilität, ohne die Nachteile des Autobesitzes wie Parkplatzsuche, Wartung und Wertverlust.

Die Einführung des Deutschlandtickets war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Mit einem Mal wurde der Zugang zum regionalen ÖPNV in ganz Deutschland radikal vereinfacht. Die Zahlen sprechen für sich: Das Deutschlandticket erreichte bereits 13,1 Millionen Fahrgäste im Oktober 2024, was das enorme Potenzial für eine Verlagerung weg vom Auto unterstreicht. Doch das Ticket allein löst nicht alle Probleme.

Genau hier setzen MaaS-Plattformen an, indem sie die typischen Alltagshürden, für die man bisher ein Auto brauchte, gezielt adressieren. Betrachten wir einige klassische „Auto-Abhängigkeiten“ und ihre MaaS-Lösungen:

  • Das „IKEA-Problem“: Für den Transport sperriger Einkäufe integrieren Apps wie Jelbi Transporter-Sharing-Dienste wie MILES oder Sixt Share, die stundenweise gebucht werden können.
  • Der Wochenendausflug: Die Reise lässt sich als Kette planen – mit dem Fernverkehr der DB zum Zielort und dort nahtlos auf lokale Car- oder Bikesharing-Angebote umsteigen, die über dieselbe App gebucht werden.
  • Der flexible Arbeitsweg: An sonnigen Tagen mit dem Leihrad ins Büro, bei Regen mit der U-Bahn und für den späten Heimweg nach einem Termin ein Ride-Sharing-Fahrzeug nutzen – alles über ein einziges Konto abgerechnet.

Durch die intelligente Verknüpfung dieser Dienste entsteht ein flexibles System, das dem Privat-Pkw in fast allen Lebenslagen ebenbürtig oder überlegen ist. Die wachsende Bedeutung der Kombination aus ÖPNV, Radfahren, Zu-Fuß-Gehen und Sharing-Diensten zeigt, dass ein Umdenken bereits stattfindet.

Einfach einsteigen und losfahren: Welches digitale Ticket-System das fairste und einfachste für den Fahrgast ist

Ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz von MaaS ist ein einfaches, transparentes und faires Preissystem. Komplexe Tarifzonen und die ständige Frage nach dem richtigen Ticket sind eine der größten Hürden im ÖPNV. Digitale Ticketing-Systeme bieten hier revolutionäre Lösungen, die den Fokus vollständig auf eine reibungslose User Experience legen. Das Motto lautet: Einfach einsteigen und losfahren, die Technologie kümmert sich um den Rest.

In Deutschland werden derzeit verschiedene innovative Modelle getestet und umgesetzt:

  • Check-in/Be-out (CiBo): Systeme wie „eezy.nrw“ nutzen das GPS des Smartphones, um die gefahrene Strecke automatisch zu erfassen. Der Nutzer checkt zu Beginn der Fahrt ein und am Ende wieder aus (oder wird sogar automatisch ausgecheckt). Abgerechnet wird die exakte Luftlinie, oft mit einem Tages- oder Monatsdeckel.
  • Post-paid-Bestpreis: Dieses von der BVG in Berlin eingeführte Modell optimiert alle Fahrten eines Monats am Monatsende automatisch zum günstigsten Tarif. Egal, wie viele Einzelfahrten man gemacht hat, man zahlt nie mehr als den Preis einer Monatskarte.
  • Nationale Flatrate: Das Deutschlandticket ist das prominenteste Beispiel. Für einen festen monatlichen Preis von derzeit 49 € können Nutzer den gesamten Nah- und Regionalverkehr bundesweit nutzen. Diese Einfachheit hat maßgeblich zu seinem Erfolg beigetragen und laut einer Studie für die Verkehrsministerkonferenz wurden durch das Deutschlandticket 2,3 Millionen Tonnen CO₂ in 20 Monaten eingespart und 560 Millionen Autofahrten ersetzt.

Jedes dieser Systeme hat Vor- und Nachteile, wie die folgende Übersicht zeigt. Die Entwicklung geht jedoch klar in Richtung automatisierter und nutzerfreundlicher Bestpreis-Systeme.

Digitale Tarifmodelle in Deutschland im Vergleich
Modell Funktionsweise Vorteile Nachteile
Check-in/Be-out (eezy.nrw) GPS-basierte Streckenverfassung Automatische Abrechnung Kann einkommensschwache Stadtteile benachteiligen
Post-paid-Bestpreis (BVG) Monatsende-Optimierung zu günstigstem Tarif Immer der beste Preis Nachträgliche Abrechnung
Deutschlandticket Nationale Flatrate für 58€ Einfach und bundesweit gültig Für Wenigfahrer zu teuer
hvv Any Check-in/Check-out mit Bestpreisgarantie Flexibel und fair Benötigt Smartphone mit GPS

Die Integration solcher fairen Tarife in eine MaaS-Plattform ist der letzte Baustein für eine truly seamless Experience. Wenn der Nutzer sich keine Gedanken mehr über Tarife machen muss, weil die App im Hintergrund immer den besten Preis garantiert, ist eine weitere wesentliche Hürde für den Umstieg vom Auto gefallen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die wahre Revolution liegt in der Tiefenintegration: Buchung und Bezahlung aller Dienste in einer App sind entscheidend, nicht nur die Anzeige von Optionen.
  • Personalisierung ist der Schlüssel: MaaS-Plattformen werden zu persönlichen Assistenten, wenn sie individuelle Prioritäten wie Kosten, Zeit oder CO₂-Ausstoß berücksichtigen.
  • Ohne offene Daten geht nichts: Ein funktionierendes MaaS-Ökosystem ist auf den freien und standardisierten Austausch von Echtzeitdaten zwischen allen Mobilitätsanbietern angewiesen.

Der tägliche Pendler-Hack: Wie Sie Ihre Mobilität in der Stadt optimieren und dabei Zeit, Geld und Nerven sparen

Auch wenn die Vision einer einzigen, allumfassenden MaaS-App für ganz Deutschland noch Zukunftsmusik ist, können digital versierte Stadtbewohner schon heute ihre tägliche Mobilität erheblich optimieren. Der Schlüssel liegt in einer smarten Multi-App-Strategie, die die Stärken verschiedener lokaler und überregionaler Dienste kombiniert. Denn während Plattformen wie Jelbi in Berlin oder hvv switch in Hamburg exzellente lokale Lösungen bieten, bleiben sie auf ihr jeweiliges Stadtgebiet beschränkt.

Für den täglichen Pendelverkehr bedeutet das, nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern ein kleines, schlagkräftiges App-Portfolio zu kuratieren. Eine effektive Strategie könnte so aussehen:

  • Haupt-App: Die App des lokalen Verkehrsverbunds (z.B. BVG, hvv, MVG) ist die Basis. Sie bietet oft Bestpreisgarantien für den ÖPNV und ist der zentrale Ort für die Verwaltung des Deutschlandtickets. Studien zeigen, dass Deutschlandticket-Nutzer durchschnittlich 17 € Ersparnis pro Monat haben, was diese App zum finanziellen Anker macht.
  • Ergänzung 1 (Ride-Hailing): Eine App wie FREE NOW oder Uber für spontane Fahrten, wenn es schnell gehen muss oder kein ÖPNV verfügbar ist.
  • Ergänzung 2 (Großtransporte): Eine spezifische Carsharing-App (z.B. MILES, Sixt share) im Portfolio zu haben, ist ideal für den Wocheneinkauf oder den Transport sperriger Gegenstände.
  • Ergänzung 3 (Fernreisen): Der DB Navigator bleibt unerlässlich für die Planung und Buchung überregionaler Zugverbindungen.

Dieser pragmatische Ansatz ist zwar noch nicht die nahtlose Ein-Klick-Lösung der Zukunft, aber er ist ein mächtiger Hack, um schon heute Zeit, Geld und Nerven zu sparen. Er zwingt zu einem bewussteren Umgang mit Mobilität und schult den Blick dafür, welches Verkehrsmittel für welchen Zweck am besten geeignet ist. Der Wunsch nach einer einzigen, einfach zu bedienenden App, die alles abbildet, bleibt jedoch bestehen und treibt die Entwicklung der MaaS-Plattformen weiter an.

Ihr persönlicher Mobilitäts-Audit: In 5 Schritten zur optimierten Fortbewegung

  1. Routen definieren: Listen Sie Ihre 3-5 häufigsten Wege auf (z.B. täglicher Arbeitsweg, wöchentlicher Einkauf, Fahrt zum Sport) und notieren Sie die typische Distanz und Dauer.
  2. Methoden inventarisieren: Erfassen Sie, welche Verkehrsmittel Sie aktuell für diese Routen nutzen (Auto, ÖPNV, Fahrrad etc.) und schätzen Sie die monatlichen Kosten (Sprit, Tickets, Versicherung).
  3. Prioritäten abgleichen: Bewerten Sie Ihre aktuelle Mobilität auf einer Skala von 1-5 nach Ihren persönlichen Werten: Wie wichtig sind Ihnen Kosten, Zeitersparnis, Umweltfreundlichkeit und Stressreduktion? Wo gibt es Diskrepanzen?
  4. Reibungspunkte identifizieren: Notieren Sie die größten Ärgernisse Ihrer aktuellen Mobilität. Ist es die Parkplatzsuche, der Stau, die überfüllte Bahn oder die Unflexibilität?
  5. Integrations-Test planen: Wählen Sie eine Ihrer typischen Autofahrten aus und verpflichten Sie sich, diese für eine Woche ausschließlich mit einer lokalen MaaS-App (z.B. Jelbi, hvv switch) zu planen und durchzuführen. Dokumentieren Sie die Erfahrung.

Indem Sie Ihre eigenen Gewohnheiten und Bedürfnisse analysieren, schaffen Sie die perfekte Grundlage, um die Vorteile der multimodalen Mobilität voll auszuschöpfen – schon heute.

Der Weg zu einer vollständig integrierten, nahtlosen Mobilität ist geebnet. Der nächste logische Schritt für Sie ist, diese neue Flexibilität selbst zu erleben. Beginnen Sie noch heute damit, Ihre urbane Mobilität neu zu denken und die passende App für Ihre Stadt zu erkunden.

Geschrieben von Lena Bauer, Lena Bauer ist eine Urbanistin mit über einem Jahrzehnt Erfahrung in der strategischen Verkehrsplanung und der Entwicklung nachhaltiger Mobilitätskonzepte für Städte. Sie ist eine gefragte Stimme in der Debatte um lebenswerte und zukunftsfähige urbane Räume.