Veröffentlicht am März 12, 2024

Entgegen der landläufigen Meinung ist es ein strategischer Fehler, sich ausschließlich auf das zu verlassen, was Kunden sagen, dass sie wollen. Echte Marktführer antizipieren ungesagte Bedürfnisse.

  • Die „Jobs to be Done“-Theorie deckt die wahren Motivationen hinter einem Kauf auf, die weit über funktionale Merkmale hinausgehen.
  • Systematische Vorausschau, basierend auf der Filterung schwacher Signale und dem branchenübergreifenden Transfer von Ideen, ersetzt reines Raten durch einen disziplinierten Prozess.

Empfehlung: Beginnen Sie damit, nicht Ihr Produkt zu analysieren, sondern den „Job“, für den Ihre Kunden es „einstellen“ – dies ist der Ausgangspunkt für jede wegweisende Innovation.

In einer Welt, die sich mit exponentieller Geschwindigkeit verändert, ist die reaktive Erfüllung von Kundenwünschen ein Rezept für die Mittelmäßigkeit. Innovationsmanager und Produktstrategen stehen vor einem Paradoxon: Die loyalsten Kunden sind oft am wenigsten in der Lage, die nächste große Revolution zu formulieren. Sie können Ihnen sagen, wie Sie Ihr bestehendes Produkt verbessern können, aber selten, welches Produkt sie als Nächstes brauchen werden. Die gängigen Methoden der Marktforschung – Umfragen, Fokusgruppen, Wettbewerbsanalysen – kratzen oft nur an der Oberfläche und bestätigen das, was bereits bekannt ist.

Doch was wäre, wenn die Fähigkeit, die Zukunft vorauszusehen, keine mystische Gabe, sondern eine erlernbare Disziplin wäre? Was, wenn es ein System gäbe, um die verborgenen Strömungen im Markt zu erkennen, bevor sie zu einer Welle werden? Die wahre Kunst liegt nicht darin, bessere Antworten auf alte Fragen zu finden, sondern darin, die Fragen zu entdecken, die sich der Markt noch nicht einmal stellt. Es geht darum, ein tiefes Gespür für die unartikulierten Probleme und die latenten Sehnsüchte zu entwickeln, die den Kern zukünftiger Nachfrage bilden.

Dieser Artikel bricht mit der Vorstellung, dass Innovation ein Glücksspiel ist. Wir werden einen systematischen Ansatz vorstellen, der es Ihnen ermöglicht, die Signale vom Rauschen zu trennen und Lösungen für Probleme zu entwickeln, derer sich Ihre Kunden selbst noch nicht bewusst sind. Wir tauchen tief in die Mechanismen ein, die es visionären Unternehmen ermöglichen, den Markt zu definieren, anstatt ihm nur zu folgen.

Um diese strategische Fähigkeit zu meistern, werden wir einen strukturierten Pfad verfolgen. Der folgende Überblick zeigt die Bausteine, aus denen sich ein robustes System zur Antizipation zukünftiger Kundenbedürfnisse zusammensetzt.

Das Henry-Ford-Dilemma: Warum Kunden Ihnen nicht sagen können, was sie wirklich brauchen

Die berühmte, wenn auch möglicherweise apokryphe Aussage von Henry Ford – „Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: ‚schnellere Pferde‘“ – bringt das Kernproblem auf den Punkt. Kunden denken in den Bahnen dessen, was sie kennen. Ihre Vorschläge sind meist inkrementelle Verbesserungen bestehender Lösungen, keine Sprunginnovationen. Dieses Phänomen wurzelt in der Existenz latenter Bedürfnisse: Probleme oder Wünsche, die so tief im Unterbewusstsein verankert sind, dass sie vom Kunden selbst nicht aktiv formuliert werden können.

Traditionelle Marktforschungsmethoden stoßen hier an ihre Grenzen. Eine Umfrage kann Präferenzen zwischen bekannten Optionen abfragen, aber sie kann keine völlig neuen Kategorien aufdecken. Clayton Christensens berühmte Milchshake-Studie illustriert dies perfekt. Ein Fast-Food-Restaurant versuchte, den Verkauf von Milchshakes durch die Optimierung von Geschmack und Textur zu steigern – ohne Erfolg. Die entscheidende Erkenntnis kam erst, als die Forscher den Kontext verstanden: Viele Kunden kauften den Shake morgens für die lange, langweilige Autofahrt zur Arbeit. Der Shake war kein Dessert, er war ein Begleiter, der die Fahrt interessanter machte. Sein „Job“ war es, eine Hand zu beschäftigen und für 20 Minuten Sättigung zu sorgen.

Diese Erkenntnis zeigt, dass der Fokus weg vom Produktattribut („Wie schmeckt der Shake?“) und hin zur zu erledigenden Aufgabe („Welches Problem löst der Kunde damit in seinem Leben?“) verschoben werden muss. Das Henry-Ford-Dilemma ist also keine Kritik am Kunden, sondern eine Aufforderung an Unternehmen, tiefere Beobachtungsmethoden anzuwenden, um die unausgesprochenen „Jobs“ zu entschlüsseln, für die Kunden eine Lösung „einstellen“.

Der wahre Job Ihres Produkts: Welche Aufgabe der Kunde wirklich erledigt haben will

Um die Falle der „schnelleren Pferde“ zu umgehen, benötigen Innovatoren ein neues mentales Modell. Hier kommt das Framework „Jobs to be Done“ (JTBD) ins Spiel. Wie im B2B-Sektor in Deutschland erfolgreich angewendet, verlagert JTBD den Fokus radikal: Es fragt nicht, *wer* der Kunde ist (Demografie) oder *was* er kauft (Produkt), sondern *warum* er kauft – also welchen Fortschritt er in einer bestimmten Situation erzielen möchte. Jedes Produkt wird quasi für einen „Job“ angeheuert.

Der „Job“ ist dabei mehr als nur eine funktionale Aufgabe. Er hat drei Dimensionen:

  • Funktionale Dimension: Die praktische Aufgabe, die erledigt werden muss (z.B. ein Loch in die Wand bohren).
  • Emotionale Dimension: Wie sich der Kunde während und nach der Erledigung des Jobs fühlen möchte (z.B. kompetent, sicher, kreativ).
  • Soziale Dimension: Wie der Kunde von anderen wahrgenommen werden möchte (z.B. als cleverer Heimwerker, als fürsorglicher Elternteil).

Die Milchshake-Studie zeigte, dass der funktionale Job („Hunger stillen“) nur ein kleiner Teil der Geschichte war. Der emotionale Job („Langeweile auf dem Weg zur Arbeit bekämpfen“) war der eigentliche Treiber. Ein tiefes Verständnis dieser Dimensionen ermöglicht es, Lösungen zu schaffen, die weit über die Konkurrenz hinausragen, weil sie das gesamte Bedürfnisbündel adressieren, nicht nur die offensichtliche Funktion. Es geht darum zu verstehen, welche konkurrierenden Lösungen der Kunde heute für diesen Job einstellt – das kann eine andere App, ein Notizbuch oder auch einfach Nichtstun sein.

Lesen, was der Markt nicht sagt: Wie Sie ein tiefes Gespür für Kunden und Wettbewerber entwickeln

Nachdem wir verstanden haben, dass wir nach „Jobs“ und nicht nach Produktwünschen suchen müssen, stellt sich die Frage: Wie entwickeln wir das nötige Gespür dafür? Die Antwort liegt in einer Haltung, die man als „empathische Tiefenbeobachtung“ bezeichnen könnte. Es geht darum, zum Anthropologen des eigenen Marktes zu werden und die Welt mit den Augen des Kunden zu sehen. Dies erfordert, das Büro zu verlassen und den Kunden in seinem natürlichen Kontext zu beobachten.

Wie der Berater Sven Riehle treffend bemerkt, besitzt der Kunde oft nicht die nötigen Informationen, um das beste Produkt für sich zu finden.

Manchmal besitzt der Kunde nicht die nötigen Informationen oder Herangehensweise, um sich nach dem besten verfügbaren Produkt zu erkundigen.

– Sven Riehle, 4 praktische Methoden, um Kundenbedürfnisse zu erkennen – Userlike

Dies impliziert, dass Unternehmen die Verantwortung haben, diese Brücke zu bauen. Ein tiefes Gespür entwickelt sich durch die Analyse von Anomalien: Warum nutzen Kunden ein Produkt auf eine Weise, die Sie nie vorgesehen haben? Welche „Workarounds“ oder Hacks haben sie entwickelt, weil Ihre Lösung unvollständig ist? Diese Improvisationen sind Goldminen für Innovationspotenziale.

Diese Haltung gilt auch für den Wettbewerb. Anstatt nur Features zu vergleichen, fragen Sie: Welchen „Job“ erledigt das Konkurrenzprodukt besser? Besonders die sogenannten „Hidden Champions“ des deutschen Mittelstands sind Meister darin. Sie entwickeln oft ein fast intuitives Gespür für die Nischenbedürfnisse ihrer B2B-Kunden, weil ihre kurzen Wege und klaren Entscheidungsstrukturen einen ständigen, tiefen Dialog ermöglichen. Sie verkaufen nicht nur Maschinen, sondern Produktionssicherheit und Effizienz – und genau das ist der „Job“, für den sie angeheuert werden.

Dieses tiefe Gespür ist keine angeborene Gabe, sondern das Ergebnis bewusster Praxis. Die Fähigkeit, die unausgesprochenen Signale des Marktes zu deuten, muss kontinuierlich trainiert werden.

Das Signal-Filter-System: In 3 Schritten den Lärm von der Zukunftsmusik trennen

Ein tiefes Gespür für den Markt zu haben bedeutet, täglich mit einer Flut von Informationen konfrontiert zu sein: neue Technologien, aufkommende Trends, verändertes Kundenverhalten. Die Herausforderung besteht darin, die relevanten „schwachen Signale“ von dem allgemeinen „Lärm“ zu unterscheiden. Schwache Signale sind frühe, oft fragmentarische Indikatoren für zukünftige Veränderungen. Sie sind heute noch Nische, könnten aber morgen den Mainstream bestimmen.

Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik zeigt, wie schwache Signale wie erste Elektrofahrzeuge den Aufstieg von Unternehmen wie Tesla vom Rand zur Mitte der Branche ermöglichten. Wer diese Signale früh erkennt, gewinnt einen entscheidenden Zeitvorteil. Doch wie filtert man sie systematisch? Ein bewährter Ansatz ist ein mehrstufiger Filterprozess. Anstatt jedem Hype nachzujagen, bewerten Sie jedes potenzielle Signal anhand klarer Kriterien. Der „KREI-Filter“ ist ein solches praxisnahes Modell:

  • K – Konnektivität: Ist das Signal ein isoliertes Ereignis oder lässt es sich mit anderen Trends und Entwicklungen verknüpfen? Echte Trends bilden Cluster.
  • R – Relevanz: Hat dieses Signal eine konkrete Bedeutung für Ihre Branche und Ihre Kunden in Ihrem Zielmarkt, beispielsweise in Deutschland?
  • E – Emotionalität: Löst das Signal starke Reaktionen aus, sei es Begeisterung oder Ablehnung? Emotion ist ein starker Indikator für Veränderungspotenzial.
  • I – Inkubation: Wächst das Signal? Nimmt die Zahl der Anhänger, Veröffentlichungen oder Start-ups in diesem Bereich zu?

Ein solches System verwandelt die passive Trendbeobachtung in eine aktive strategische Vorausschau. Es hilft, Ressourcen auf die Entwicklungen zu konzentrieren, die das größte transformative Potenzial für Ihr Unternehmen haben, und den Rest bewusst zu ignorieren.

Lernen von der Spitze: Wie Sie Ihre innovativsten Kunden als kostenlose F&E-Abteilung nutzen

Eine der reichhaltigsten Quellen für schwache Signale und zukünftige Bedürfnisse sind Ihre eigenen Kunden – aber nicht irgendwelche. Wir sprechen von den sogenannten „Lead Usern“. Dieser von MIT-Professor Eric von Hippel bereits in den 1980er Jahren definierte Kundentyp ist dem Massenmarkt oft Jahre voraus. Lead User haben Bedürfnisse, die erst in der Zukunft zum Standard werden, und da es für diese Bedürfnisse noch keine kommerziellen Lösungen gibt, entwickeln sie oft eigene Prototypen und Workarounds.

Diese Kunden sind keine typischen Early Adopters, die neue Technologien schnell annehmen. Sie sind vielmehr Erfinder und Pioniere in ihrem eigenen Bereich. Sie als Unternehmen zu identifizieren und in Ihren Innovationsprozess einzubinden, ist wie eine externe Forschungs- und Entwicklungsabteilung zu betreiben, die Sie nichts kostet. Der Schlüssel liegt darin, sie nicht zu fragen, was sie wollen, sondern zu beobachten, was sie bereits tun. Ihre selbstgebauten Lösungen sind die Blaupausen für die Produkte von morgen.

Die Integration dieser Vordenker ist keine theoretische Übung; sie hat massive wirtschaftliche Auswirkungen. Laut empirischen Studien ermöglicht die Lead User Methode eine bis zu 8-fache Umsatzsteigerung im Vergleich zu traditionellen Innovationsprozessen. Für deutsche Mittelständler, die oft in hochspezialisierten B2B-Märkten tätig sind, ist dieser Ansatz besonders wertvoll. Ihre anspruchsvollsten Kunden aus der Industrie sind oft die besten Lead User, die an den Grenzen des technisch Machbaren arbeiten und damit die Anforderungen von morgen schon heute definieren.

Abstrakte Darstellung von Innovationstransfer zwischen verschiedenen Branchen

Die Herausforderung besteht darin, diese Nutzer systematisch zu finden. Sie verbergen sich oft in Foren, auf Fachkonferenzen oder in akademischen Kreisen. Die Suche nach ihnen erfordert Detektivarbeit, aber der Ertrag – ein direkter Einblick in die Zukunft Ihres Marktes – ist unbezahlbar.

Die genialste Idee für Ihre Branche wurde bereits woanders umgesetzt

Innovationsmanager neigen dazu, sich auf ihre eigene Branche und ihre direkten Wettbewerber zu konzentrieren. Das ist verständlich, aber auch stark limitierend. Oft wurde das grundlegende Problem, das Sie zu lösen versuchen, bereits in einem völlig anderen Kontext auf brillante Weise gelöst. Die strategische Technik des branchenübergreifenden Analogietransfers oder „Analog-Mappings“ bricht dieses Silodenken auf.

Der Grundgedanke ist einfach: Abstrahieren Sie Ihr Kernproblem auf seine grundlegende Struktur und suchen Sie dann nach anderen Branchen, die ein analoges Problem bereits gemeistert haben. Wie die Innovationsberatung artundweise hervorhebt, entstehen durch Vernetzung neue Möglichkeiten.

Konnektivität schafft kollaborative Geschäftsmodelle: Unternehmen entwickeln ihre Produkte nicht mehr nur auf Basis rationaler Forschung, sondern beziehen heterogene Gruppen ein.

– artundweise, 5 Megatrends – Zukunft des Mittelstands

Dieser Ansatz hat bereits zu beeindruckenden Innovationen geführt. Die Logistik von Formel-1-Boxenstopps, bei der es um schnelle, fehlerfreie Teamarbeit unter hohem Druck geht, diente als Vorbild zur Optimierung von Abläufen bei Schichtwechseln in Operationssälen. Das Ergebnis: weniger Fehler und eine höhere Patientensicherheit.

Diese Methode zwingt Teams, über den Tellerrand zu blicken und gewohnte Denkmuster zu verlassen. Die folgende Tabelle zeigt einige klassische Beispiele für erfolgreichen Innovationstransfer, wie sie in einer analyse comparative récente dargestellt wurden.

Analog-Mapping: Branchenübergreifende Innovationstransfers
Ursprungsbranche Innovation Transferbranche Anwendung
Formel 1 Boxenstopp-Logistik Gesundheitswesen OP-Saal-Wechsel
E-Commerce (Zalando) Retourenmanagement Maschinenbau Ersatzteillogistik
Software (SaaS) Abo-Modelle Lebensmittelindustrie Subscription Services
Gaming-Industrie Gamification Aus- und Weiterbildung Lernmotivation

Um diese Methode anzuwenden, formulieren Sie Ihr Problem so abstrakt wie möglich (z.B. statt „Wie verbessern wir unser Retourenmanagement?“ fragen Sie „Wie managen wir effizient den Rückfluss von Gütern?“). Suchen Sie dann gezielt nach den Weltmeistern in dieser abstrakten Disziplin – egal, in welcher Branche sie tätig sind.

Zukunftsvision ist kein Ratespiel, sondern ein System

Die bisherigen Bausteine – das Verständnis für „Jobs to be Done“, das Filtern schwacher Signale, die Einbindung von Lead Usern und der branchenübergreifende Analogietransfer – sind mächtige Werkzeuge. Doch ihre wahre Kraft entfalten sie erst, wenn sie in einen systematischen Prozess für strategische Vorausschau integriert werden. Zukunftsvision ist damit kein Ergebnis von genialen Einzelpersonen, sondern eine organisatorische Fähigkeit, die man aufbauen und pflegen kann.

Ein solches System beginnt mit dem Scannen des Umfelds. Dabei geht es nicht darum, jeden einzelnen Trend zu verfolgen. Vielmehr identifizieren führende Organisationen wie das Zukunftsinstitut große, langfristige Entwicklungslinien. Aktuell identifiziert es beispielsweise 11 Megatrends und 134 Subtrends, die unsere Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend verändern. Der erste Schritt für jedes Unternehmen, insbesondere für den deutschen Mittelstand, ist die Analyse, welche dieser Megatrends – wie Dekarbonisierung, demografischer Wandel oder digitale Transformation – die eigene Branche am stärksten beeinflussen.

Visualisierung eines systematischen Trend-Mapping-Prozesses

Auf Basis dieser Analyse werden verschiedene, plausible Zukunftsszenarien entwickelt. Anstatt auf eine einzige Zukunft zu wetten, bereitet sich das Unternehmen auf mehrere mögliche Entwicklungen vor. Für jedes Szenario werden dann robuste Strategien entworfen. Das Ergebnis ist keine exakte Vorhersage, sondern eine erhöhte Anpassungsfähigkeit und Resilienz der Organisation. Das Unternehmen ist nicht mehr überrascht von Veränderungen, sondern hat sie bereits antizipiert und kann proaktiv handeln. Dieser systematische Ansatz verwandelt Unsicherheit von einer Bedrohung in eine Chance.

Das Wichtigste in Kürze

  • Konzentrieren Sie sich auf den „Job“, den der Kunde erledigt haben will, nicht auf die von ihm geäußerten Wünsche. Darin liegt der Schlüssel zu latenten Bedürfnissen.
  • Echte Innovation entsteht nicht durch Zufall, sondern durch einen disziplinierten Prozess der Signalfilterung, Lead-User-Analyse und branchenübergreifenden Inspiration.
  • Ein ausbalanciertes Innovationsportfolio, das sowohl das Kerngeschäft optimiert (Evolution) als auch radikale neue Ideen erprobt (Revolution), ist der Schlüssel zu langfristiger Resilienz.

Evolution oder Revolution? Wie die Vorbereitung auf beide Szenarien Ihr Unternehmen unbesiegbar macht

Ein systematischer Blick in die Zukunft ist wertlos, wenn die Organisation nicht darauf vorbereitet ist, entsprechend zu handeln. Die größte Herausforderung besteht darin, das heutige, profitable Kerngeschäft zu optimieren und gleichzeitig die revolutionären Geschäftsmodelle von morgen zu entwickeln. Dies erfordert eine „beidhändige“ Organisation, die in zwei Geschwindigkeiten agiert: Evolution und Revolution.

Die Evolution findet im Kerngeschäft statt. Hier geht es um kontinuierliche Verbesserung, Effizienzsteigerung und die schrittweise Anpassung an bekannte Kundenwünsche. Die Prozesse sind standardisiert, die Kennzahlen (KPIs) klar definiert und das Risiko gering. Die Revolution hingegen findet in geschützten Räumen statt – in „Zukunfts-Garagen“, Innovationslaboren oder autonomen Projektteams. Hier wird mit radikal neuen Ideen experimentiert, das Scheitern ist einkalkuliert und der Fokus liegt auf Lernen statt auf unmittelbarem ROI. Das Zukunftsinstitut identifiziert für den deutschen Mittelstand zwei Kernkriterien für den Erfolg: Innovationskraft und Unternehmergeist. Ein Zwei-Geschwindigkeiten-Portfolio ist der organisatorische Ausdruck dieser beiden Kräfte.

Die Kunst liegt in der Balance. Eine bewährte Faustregel ist die 70-20-10-Regel: 70 % des Innovationsbudgets fließen in die Optimierung des Kerngeschäfts, 20 % in die Erweiterung in angrenzende Märkte und 10 % in transformative, revolutionäre Projekte. Dies diversifiziert das Risiko und stellt sicher, dass das Unternehmen sowohl heute profitabel ist als auch für die Disruptionen von morgen gewappnet ist. Entscheidend ist eine Kultur, die kalkulierte „smarte Fehlinvestitionen“ als notwendigen Teil des Lernprozesses akzeptiert.

Ihr Plan für ein Zwei-Geschwindigkeiten-Innovationsportfolio

  1. Kerngeschäft (Evolution): Definieren Sie klare KPIs zur kontinuierlichen Optimierung bestehender Produkte und Prozesse.
  2. Zukunfts-Garagen (Revolution): Richten Sie geschützte Experimentierräume ein und statten Sie diese mit 5-10% des Innovationsbudgets aus.
  3. Portfolio-Balance: Steuern Sie die Risikodiversifikation aktiv nach der 70-20-10-Regel (Kern-, angrenzende, transformative Projekte).
  4. Angepasste Bewertungsmetriken: Messen Sie revolutionäre Projekte an Lernzielen und Meilensteinen, nicht am kurzfristigen ROI.
  5. Kulturelle Integration: Etablieren und kommunizieren Sie eine klare Strategie für den Umgang mit und das Lernen aus „smarten Fehlinvestitionen“.

Häufig gestellte Fragen zum Erkennen von Kundenbedürfnissen

Welche Dimensionen umfasst ein Job to be Done?

Ein JTBD hat drei Dimensionen: funktionale (das praktische Problem, das gelöst werden soll), emotionale (wie sich der Kunde dabei und danach fühlen möchte) und soziale Aspekte (wie der Kunde durch die Erledigung des Jobs von anderen wahrgenommen werden möchte).

Wie identifiziere ich die wahren Jobs meiner Kunden?

Die wahren Jobs werden durch Methoden der Tiefenbeobachtung identifiziert, nicht durch direkte Befragung. Dazu gehören „Job-Safaris“ mit teilnehmender Beobachtung vor Ort, strukturierte JTBD-Interviews, die sich auf vergangene Kaufentscheidungen konzentrieren, und die genaue Analyse der Nicht-Nutzung bestehender Lösungen oder der Entwicklung von „Workarounds“ durch die Kunden.

Geschrieben von Markus Richter, Dr. Markus Richter ist ein seit über 15 Jahren tätiger Strategieberater, der sich auf die Schnittstelle von technologischer Innovation und Geschäftsmodellentwicklung spezialisiert hat. Er ist bekannt für seine Fähigkeit, komplexe Zukunftstrends in umsetzbare Unternehmensstrategien zu übersetzen.