Veröffentlicht am März 11, 2024

Der erfolgreiche Umstieg auf die Elektromobilität hängt weniger von technischen Details ab, als vom Verständnis neuer Gewohnheiten rund um das Laden und Planen.

  • Das tägliche „Tanken“ findet über Nacht an der heimischen Wallbox statt; öffentliche Schnelllader sind für die Langstrecke reserviert.
  • Die Reichweite ist keine fixe Größe, sondern ein dynamisches Energie-Budget, das von Fahrstil, Temperatur und Topografie abhängt.

Empfehlung: Führen Sie ein persönliches Mobilitäts-Audit durch, um zu prüfen, ob Ihr Fahrprofil schon heute für ein reines E-Auto geeignet ist, bevor Sie sich für ein Modell entscheiden.

Die Welt der Elektromobilität wirkt auf den ersten Blick wie ein Dschungel aus Abkürzungen, technischen Daten und widersprüchlichen Meinungen. Potenzielle Käufer sehen sich mit Begriffen wie AC/DC-Laden, kWh, CCS-Stecker und einer endlosen Debatte über die „wahre“ Reichweite konfrontiert. Viele Ratgeber verlieren sich in technischen Details oder malen ein allzu rosiges Bild, das die praktischen Herausforderungen des Alltags ignoriert. Die Unsicherheit ist groß: Ist ein E-Auto wirklich das Richtige für mich? Kann ich damit noch spontan sein? Und wie navigiere ich das Chaos an den öffentlichen Ladesäulen?

Doch was, wenn die größte Hürde gar nicht die Technologie selbst ist, sondern unsere festgefahrenen Gewohnheiten aus der Verbrenner-Welt? Was, wenn der Schlüssel zum erfolgreichen Umstieg nicht darin liegt, ein technischer Experte zu werden, sondern darin, einen neuen Rhythmus für das „Tanken“ und Planen zu finden? Dieser Leitfaden bricht bewusst mit der reinen Datenflut. Er übersetzt das technische Kauderwelsch in die Sprache des Alltags und trennt die Mythen von der Praxis. Anstatt Sie mit Listen von Automodellen zu überhäufen, geben wir Ihnen das Rüstzeug an die Hand, um eine souveräne und fundierte Entscheidung zu treffen, die wirklich zu Ihrem Leben passt.

Für alle, die einen tieferen Einblick in die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen von Batterien und alternativen Kraftstoffen suchen, bietet der folgende Vortrag von Prof. Dr. Maximilian Fichtner, einem führenden Experten auf dem Gebiet, eine umfassende Perspektive. Er beleuchtet die komplexen Zusammenhänge und die Zukunft der Energiespeicherung weit über das Auto hinaus.

Dieser Artikel führt Sie schrittweise durch die zentralen Aspekte der Elektromobilität. Wir beginnen bei den Grundlagen des Ladens, entzaubern den Mythos der Reichweitenangst und zeigen Ihnen den Weg zur eigenen Wallbox. Anschließend navigieren wir gemeinsam durch das öffentliche Ladenetz und beleuchten die Technik, die im Herzen Ihres zukünftigen Autos steckt, bevor wir Ihnen helfen, die entscheidende Frage zu beantworten: Welcher Antrieb passt wirklich zu Ihnen?

Langsam zu Hause, schnell unterwegs: Warum Ihr E-Auto zwei verschiedene Arten des Ladens braucht

Der grundlegendste Wandel beim Umstieg auf ein Elektroauto betrifft das „Tanken“. Statt wöchentlich eine Tankstelle anzufahren, etablieren Sie einen neuen Lade-Rhythmus, der sich am ehesten mit dem Aufladen Ihres Smartphones vergleichen lässt: Täglich über Nacht. Dafür nutzt Ihr Auto das sogenannte AC-Laden (Wechselstrom), also den Strom, der aus Ihrer heimischen Steckdose kommt. Dieser Ladevorgang ist bewusst langsam, schont den Akku und sorgt dafür, dass Sie jeden Morgen mit einer vollen Batterie starten – für einen Bruchteil der Kosten an öffentlichen Säulen. Tatsächlich liegen die Kosten für das Laden zu Hause bei rund 32 Cent pro kWh, während an öffentlichen Ladesäulen schnell 52 Cent und mehr fällig werden.

Das schnelle „Nachtanken“ für die Langstrecke erfolgt hingegen an DC-Schnellladern (Gleichstrom), wie man sie entlang der Autobahnen findet. Hier wird der Strom direkt in die Batterie eingespeist, was Ladezeiten von 20 bis 40 Minuten für eine Ladung von 10 auf 80 Prozent ermöglicht. Dieser Vorgang ist teurer und belastet den Akku stärker, weshalb er für die Ausnahme – die Reise – und nicht für den Alltag gedacht ist. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Ladearten ist der Schlüssel zum Verständnis der E-Mobilität: AC-Laden für den Alltag, DC-Laden für die Reise.

Der folgende Überblick verdeutlicht die massiven Unterschiede in Ladeleistung, Dauer und Kosten, je nachdem, wo und wie Sie Ihr Elektroauto aufladen. Er zeigt deutlich, warum die heimische Wallbox das Fundament der Elektromobilität ist.

Ladeleistung und Kosten im Vergleich
Ladeort Ladeleistung Preis pro kWh Ladedauer (40 kWh)
Haushaltssteckdose 2,3 kW ~30 Cent 12-16 Stunden
Wallbox zu Hause 11 kW ~30 Cent 2,5-3,5 Stunden
Öffentliche AC-Säule 22 kW 49-59 Cent 1,5-2 Stunden
DC-Schnelllader 50-150 kW 69-79 Cent 20-40 Minuten

Das Verständnis dieses zweigeteilten Ladekonzepts ist die Basis für einen entspannten Umgang mit dem Elektroauto. Es geht nicht darum, ständig nach der nächsten „Tankstelle“ zu suchen, sondern darum, den Alltag mit langsamem, günstigem Strom zu bestreiten und die Schnelllader strategisch für die Langstrecke zu nutzen. So wird das Laden zu einem unauffälligen Teil der nächtlichen Routine.

Die Wahrheit über die Reichweite: Wie Sie lernen, mit der Batterie Ihres E-Autos realistisch zu planen

Die Reichweitenangst ist das Schreckgespenst der Elektromobilität. Doch in der Praxis ist die vom Hersteller angegebene WLTP-Reichweite weniger eine feste Zusage als vielmehr ein theoretischer Laborwert. Der Schlüssel zu einem entspannten E-Auto-Alltag liegt darin, die Batteriekapazität nicht als starre Kilometerangabe, sondern als flexibles Energie-Budget zu betrachten. Wie viel Energie Ihr Fahrzeug tatsächlich verbraucht, hängt massiv von drei Faktoren ab: Geschwindigkeit, Außentemperatur und Topografie.

Eine Fahrt auf der Autobahn mit 130 km/h kann den Verbrauch im Vergleich zur Landstraße fast verdoppeln. Noch gravierender ist der Einfluss der Temperatur. Im Winter muss nicht nur der Innenraum, sondern auch die Batterie selbst beheizt werden, um optimal zu funktionieren. Das kostet wertvolle Energie. So kann die Reichweite laut Tests des ADAC bei tiefen Temperaturen um etwa ein Drittel sinken. Fahrzeuge mit einer effizienten Wärmepumpe können diesen Verlust zwar auf etwa 20 % reduzieren, aber ein Mehrverbrauch bleibt bestehen. Wer in einer bergigen Region wohnt, wird ebenfalls feststellen, dass Fahrten bergauf deutlich mehr Energie kosten, auch wenn durch Rekuperation beim Bergabfahren ein Teil wieder zurückgewonnen wird.

Anstatt sich auf die Anzeige im Cockpit zu verlassen, lernen erfahrene E-Auto-Fahrer, ihr Energie-Budget zu managen. Für die täglichen Fahrten zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Sport ist die Reichweite meist mehr als ausreichend. Für Langstrecken plant man nicht von voller bis zur leeren Batterie, sondern in Etappen von Schnelllader zu Schnelllader. Moderne Routenplaner-Apps wie „A Better Routeplanner“ berücksichtigen sogar das Wetter und die Topografie, um realistische Lade-Stopps vorzuschlagen. Das Ziel ist es, mit etwa 10-20 % Restladung am nächsten Lader anzukommen und dort nur so lange zu laden, wie es für die nächste Etappe nötig ist – meist bis 80 %, da die Ladegeschwindigkeit darüber stark abfällt.

Mit diesem proaktiven Management weicht die Angst schnell der Souveränität. Man entwickelt ein Gefühl für das eigene Auto und lernt, die Reichweite unter verschiedenen Bedingungen realistisch einzuschätzen. Die Frage ist nicht mehr „Schaffe ich das?“, sondern „Wie plane ich die Fahrt am effizientesten?“. So wird die Reichweite zu einer kalkulierbaren Größe statt zu einer Quelle ständiger Sorge.

Die eigene Tankstelle in der Garage: Ihr Weg zur eigenen Wallbox in 5 Schritten

Die mit Abstand wichtigste Investition für einen E-Auto-Fahrer ist nicht das Auto selbst, sondern die eigene Heim-Tankstelle: die Wallbox. Sie ist das Herzstück eines komfortablen E-Auto-Alltags, denn sie macht das Laden sicher, schnell und planbar. Während das Laden an einer normalen Haushaltssteckdose (Schuko) zwar möglich, aber extrem langsam und aufgrund der Dauerbelastung nicht für den Dauerbetrieb empfohlen ist, lädt eine 11-kW-Wallbox ein durchschnittliches E-Auto in wenigen Stunden vollständig auf. Sie verwandelt die nächtliche Standzeit in produktive Ladezeit.

Die Installation einer Wallbox ist jedoch ein Projekt, das sorgfältig geplant werden muss. Gerade in Deutschland, mit seinen spezifischen Regelungen für Ein- und Mehrfamilienhäuser, sind einige Schritte zu beachten. Zunächst muss ein Elektrofachbetrieb die vorhandene Hauselektrik prüfen. Ist der Hausanschluss stark genug? Muss ein neues Kabel vom Zählerschrank zur Garage verlegt werden? Laut ADAC-Stichproben reichen die Installationskosten von 1.045 bis 5.200 Euro, je nach Komplexität der Gegebenheiten vor Ort, insbesondere in Mehrfamilienhäusern.

Dieses Bild zeigt den entscheidenden Moment: die professionelle Installation einer Wallbox. Es symbolisiert den Wandel von der öffentlichen Tankstelle zur privaten Ladeinfrastruktur und den Beginn einer neuen, autarken Form der Mobilität.

Installation einer Wallbox in der heimischen Garage für Elektroauto-Laden

Besonders interessant wird es für Hausbesitzer mit einer Photovoltaik-Anlage. Eine smarte Wallbox kann so konfiguriert werden, dass sie das Auto gezielt mit überschüssigem Solarstrom lädt („Überschussladen“). Dadurch sinken die Ladekosten dramatisch, da der selbst produzierte Strom mit Gestehungskosten von oft nur 11 Cent pro kWh weit unter dem Netzpreis von über 30 Cent liegt. Die Wallbox wird so zur perfekten Ergänzung der persönlichen Energiewende. Der Weg zur eigenen Wallbox lässt sich in fünf klare Schritte gliedern: Bedarfsanalyse, Elektriker-Check, Auswahl des Modells, Anmeldung beim Netzbetreiber und schließlich die Installation.

Eine Ladesäule, hundert Anbieter: Wie Sie das Chaos an öffentlichen Ladestationen navigieren

Während das Laden zu Hause die Regel ist, kommt auf Reisen oder bei fehlender heimischer Lademöglichkeit das öffentliche Laden ins Spiel. Und hier beginnt für viele Neulinge die Verwirrung. Anders als an der Tankstelle gibt es nicht den einen Preis, sondern ein komplexes Geflecht aus hunderten Anbietern, Roaming-Partnern und unterschiedlichen Abrechnungsmodellen. Eine Ladesäule kann oft mit Dutzenden verschiedenen Ladekarten oder Apps freigeschaltet werden – jedes Mal zu einem anderen Preis. Willkommen im Infrastruktur-Puzzle der Elektromobilität.

Der Versuch, für jeden Anbieter die passende Karte zu besitzen, ist aussichtslos. Die strategisch kluge Lösung besteht darin, sich auf zwei bis drei Hauptanbieter zu konzentrieren, die eine breite Abdeckung zu fairen Konditionen bieten. Ein guter Mix besteht oft aus:

  • Einem Anbieter mit großem eigenen Netz: In Deutschland ist das zum Beispiel EnBW mit dem „HyperNetz“, das sehr viele Ladesäulen unterschiedlicher Betreiber ohne Roaming-Aufschlag zugänglich macht.
  • Der Ladekarte des eigenen Autoherstellers: Marken wie VW, Mercedes oder BMW bieten oft eigene Ladedienste an, die besonders an den Schnelllade-Netzwerken von Partnern wie IONITY attraktive Preise ermöglichen.
  • Einer flexiblen Ad-hoc-Ladeoption: Nahezu jede Ladesäule muss mittlerweile auch das spontane Laden ohne Vertrag per Kreditkarte oder PayPal ermöglichen (oft über einen QR-Code an der Säule). Dies ist meist die teuerste Option, dient aber als zuverlässiges Backup.

Der Schlüssel liegt darin, vor einer längeren Fahrt kurz in einer Lade-App (z.B. „Chargeprice“ oder „Nextcharge“) zu prüfen, welcher der eigenen Anbieter an den geplanten Ladesäulen den besten Tarif hat. Nach kurzer Zeit entwickelt man eine Routine und weiß, welche Karte man an welcher Art von Säule (z.B. an der Autobahn oder in der Innenstadt) am besten einsetzt. Das vermeintliche Chaos wird so zu einem beherrschbaren System, in dem man mit wenigen „generalschlüsseln“ fast jede Tür aufbekommt.

Anstatt sich also von der Vielfalt abschrecken zu lassen, sollten Sie die Situation als Chance sehen. Mit der richtigen Auswahl an Ladekarten laden Sie oft deutlich flexibler und günstiger als Fahrer, die sich nur auf eine einzige Option verlassen. Es ist ein kleines Puzzle, das man aber mit etwas Übung schnell zusammensetzen kann.

Die Batterie ist das Herz: Was Sie über die verschiedenen Akku-Typen in E-Autos wissen müssen

Die Batterie ist die teuerste und wichtigste Komponente eines Elektroautos. Ihre Technologie bestimmt nicht nur die Reichweite, sondern auch die Langlebigkeit, Sicherheit und sogar das Ladeverhalten des Fahrzeugs. Als Käufer müssen Sie kein Chemie-Experte werden, aber das Verständnis der beiden dominanten Batterietypen hilft, die Eigenschaften eines Modells besser einzuordnen: NMC/NCA und LFP.

Die meisten europäischen und koreanischen Hersteller setzten lange auf NMC- (Nickel-Mangan-Cobalt) oder NCA-Akkus (Nickel-Cobalt-Aluminium). Ihr großer Vorteil ist die hohe Energiedichte. Das bedeutet, sie speichern auf kleinem Raum viel Energie, was hohe Reichweiten ermöglicht. Sie sind zudem relativ unempfindlich gegenüber kalten Temperaturen. Ihr Nachteil liegt im Preis, der durch die Rohstoffe Kobalt und Nickel getrieben wird, und in ihrer Empfindlichkeit. Für eine maximale Lebensdauer sollten NMC/NCA-Akkus im Alltag nur bis 80 % geladen und nicht unter 20 % entladen werden. Ein regelmäßiges Laden auf 100 % kann die Zellchemie auf Dauer schädigen.

Immer mehr Hersteller, allen voran Tesla bei seinen Standard-Reichweiten-Modellen und chinesische Marken, setzen hingegen auf LFP-Akkus (Lithium-Eisenphosphat). Diese sind frei von Kobalt und Nickel, was sie deutlich günstiger in der Herstellung und ethisch unbedenklicher macht. Ihr größter Vorteil ist ihre Robustheit: LFP-Akkus können und sollen sogar regelmäßig auf 100 % geladen werden, um dem Batteriemanagementsystem eine genaue Kalibrierung zu ermöglichen. Sie gelten als extrem langlebig und thermisch sehr stabil, also sicherer. Ihr Nachteil ist eine geringere Energiedichte (was bei gleicher Kapazität zu mehr Gewicht führt) und eine höhere Empfindlichkeit bei Kälte, wo ihre Leistung und Ladegeschwindigkeit spürbar nachlassen können.

Die Wahl zwischen diesen Technologien ist eine Philosophiefrage. Bevorzugen Sie die maximale Reichweite und Performance eines NMC-Akkus und nehmen dafür ein bewussteres Lademanagement in Kauf? Oder schätzen Sie die Robustheit, Langlebigkeit und die unkomplizierte „Immer-voll-laden“-Mentalität eines LFP-Akkus und akzeptieren dafür eine etwas geringere Winter-Performance? Diese Entscheidung hat einen direkten Einfluss auf Ihren E-Auto-Alltag.

Ihr persönliches Fahrtenbuch-Audit: Wie Sie herausfinden, ob Sie bereit für ein reines E-Auto sind

Die theoretischen Vorteile eines Elektroautos sind klar, aber passt es wirklich zu Ihrem individuellen Leben? Anstatt auf Bauchgefühl zu vertrauen, ist ein ehrliches, datenbasiertes Audit der beste Weg, um diese Frage zu beantworten. Nehmen Sie sich ein bis zwei typische Wochen Zeit und führen Sie ein einfaches Fahrtenbuch. Notieren Sie jede Fahrt, ihre Distanz und den Zweck. Das Ziel ist es, Ihr reales Mobilitätsprofil aufzudecken, nicht das, was Sie zu haben glauben.

Dieses Audit wird Ihnen unschätzbare Einblicke geben. Wie viele Kilometer fahren Sie an einem durchschnittlichen Tag wirklich? Wie oft überschreiten Sie die 200-Kilometer-Marke? Wo parkt das Auto über Nacht und gäbe es dort eine Lademöglichkeit? Wie viele wirklich lange Fahrten (über 300 km) unternehmen Sie pro Jahr? Oft stellt sich heraus, dass 95 % aller Fahrten problemlos mit einem modernen E-Auto zu bewältigen wären und nur für eine Handvoll Urlaubsfahrten eine Ladeplanung notwendig ist. Diese Erkenntnis ist der effektivste Weg, die Reichweitenangst mit Fakten zu bekämpfen.

Die folgende Checkliste hilft Ihnen dabei, Ihr Mobilitätsprofil systematisch zu analysieren und die entscheidenden Fragen zu beantworten. Gehen Sie die Punkte ehrlich durch, um eine solide Entscheidungsgrundlage für oder gegen ein reines E-Auto zu schaffen.

Ihr persönlicher 5-Schritte-Mobilitäts-Check

  1. Tägliche Fahrstrecke erfassen: Führen Sie für 2 Wochen ein Fahrtenbuch. Ermitteln Sie Ihre durchschnittliche und maximale tägliche Kilometerleistung. Liegt sie meist unter 150 km?
  2. Lademöglichkeiten identifizieren: Wo parkt Ihr Auto nachts und am Arbeitsplatz? Prüfen Sie die Möglichkeit zur Installation einer Wallbox zu Hause oder die Verfügbarkeit von Ladepunkten beim Arbeitgeber.
  3. Langstrecken analysieren: Zählen Sie die Fahrten über 300 km im letzten Jahr. Prüfen Sie für diese Routen die Verfügbarkeit von DC-Schnellladern (z.B. über die IONITY- oder EnBW-Karte).
  4. Extrembedingungen berücksichtigen: Wohnen Sie in einer sehr kalten oder bergigen Region? Kalkulieren Sie einen Reichweitenpuffer von 30 % für den Winter oder anspruchsvolle Topografien ein.
  5. Gesamtkosten vergleichen: Stellen Sie die potenziellen Anschaffungs- und Installationskosten den Einsparungen bei Wartung, Steuer (in Deutschland für E-Autos) und „Treibstoff“ (günstiger Heimstrom, THG-Quote) gegenüber.

Ein solches Audit ersetzt jede theoretische Diskussion. Es liefert Ihnen eine persönliche, faktenbasierte Antwort auf die Frage, ob die Elektromobilität schon heute nahtlos in Ihren Alltag passt. Oft ist das Ergebnis überraschend positiv und der letzte Anstoß, den Sprung zu wagen.

Das Elektroauto-Dilemma: Warum ein Stau aus E-Autos immer noch ein Stau ist

Inmitten der Euphorie über emissionsfreies Fahren wird oft ein unbequemes Detail übersehen: Ein Elektroauto ist immer noch ein Auto. Es beansprucht genauso viel Platz auf der Straße und im Parkhaus wie ein Verbrenner. Die Vorstellung, dass der Umstieg auf Elektrofahrzeuge unsere Verkehrsprobleme wie Staus, Parkplatznot und Flächenversiegelung lösen wird, ist ein gefährlicher Trugschluss. Der Antriebswechsel ist ein entscheidender Schritt für den Klimaschutz, aber er ist keine Lösung für die strukturellen Probleme unseres Verkehrssystems.

Ein Stau aus hunderten Teslas, VW IDs und Hyundai Ionics ist genauso frustrierend und zeitraubend wie ein Stau aus Benzinern und Dieseln. Die Luft im Tunnel mag besser sein, aber die verlorene Lebenszeit ist dieselbe. Die Elektromobilität darf daher nicht als alleiniger Heilsbringer betrachtet werden, sondern muss als ein Baustein in einem größeren Wandel der Mobilität verstanden werden. Sie kann ihre Vorteile dort am besten ausspielen, wo das Auto als individuelles Verkehrsmittel unersetzlich ist, insbesondere im ländlichen Raum.

In städtischen Gebieten muss die Diskussion jedoch weiter gehen. Hier liegt das wahre Potenzial in der Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs, dem Ausbau sicherer Radwege und der Förderung von Sharing-Modellen. Ein Elektroauto, das 23 Stunden am Tag ungenutzt am Straßenrand parkt und öffentlichen Raum blockiert, ist zwar leiser und sauberer, aber nicht unbedingt effizienter als sein Verbrenner-Pendant. Die Antriebswende ist notwendig, aber sie darf nicht den Blick darauf verstellen, dass eine echte Verkehrswende auch eine Reduktion und intelligentere Nutzung von Individualverkehr bedeuten muss.

Es ist daher wichtig, den Umstieg auf die Elektromobilität mit einer realistischen Erwartungshaltung anzugehen. Sie kaufen kein Wundermittel gegen Verkehrsinfarkte, sondern ein Fahrzeug mit einem deutlich saubereren und oft günstigeren Antrieb. Die Verantwortung, Mobilität als Ganzes neu zu denken und unser Verhalten anzupassen, bleibt davon unberührt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Lade-Rhythmus ist entscheidend: Langsames und günstiges AC-Laden zu Hause ist die Basis, schnelles DC-Laden auf Reisen die Ausnahme.
  • Reichweite ist ein Budget: Lernen Sie, Ihre Batteriekapazität wie ein Energie-Budget zu managen, das von Geschwindigkeit und Wetter abhängt, anstatt sich von der Reichweitenangst lähmen zu lassen.
  • Das persönliche Profil entscheidet: Ein reines E-Auto passt zu den meisten Alltagsprofilen, aber eine ehrliche Analyse der eigenen Fahrten ist für die Entscheidung unerlässlich.

Strom, Benzin oder beides? Welcher elektrifizierte Antrieb wirklich zu Ihrem Leben passt

Nachdem wir die praktischen Aspekte des reinen E-Auto-Fahrens beleuchtet haben, steht am Ende die alles entscheidende Frage: Welcher Antrieb ist der richtige für Sie? Denn „elektrifiziert“ ist nicht gleich „vollelektrisch“. Der Markt bietet ein Spektrum an Lösungen, die jeweils eine andere Antriebs-Philosophie verfolgen und zu unterschiedlichen Lebensrealitäten passen.

Das reine Elektroauto (BEV) ist die konsequenteste Wahl. Es bietet die niedrigsten Betriebskosten, den größten Beitrag zum lokalen Emissionsschutz und das faszinierendste Fahrerlebnis durch die ansatzlose Beschleunigung. Es ist ideal für alle, die eine zuverlässige Lademöglichkeit zu Hause oder am Arbeitsplatz haben und deren Fahrprofil hauptsächlich aus täglichen Pendelstrecken und gelegentlichen, planbaren Langstrecken besteht.

Der Plug-in-Hybrid (PHEV) stellt einen Kompromiss dar. Er versucht, das Beste aus beiden Welten zu vereinen: eine elektrische Reichweite von 50-100 km für den emissionsfreien Alltag und einen Verbrennungsmotor für die uneingeschränkte Langstreckentauglichkeit. Diese Lösung klingt ideal, funktioniert in der Praxis aber nur für diejenigen, die diszipliniert täglich laden. Wer dies nicht tut, fährt meist ein zu schweres und ineffizientes Benzinauto mit sich herum. Ein PHEV passt zu Fahrern mit unregelmäßigen, unplanbaren Langstrecken und der täglichen Disziplin zum Laden.

Schließlich gibt es noch den Vollhybrid (HEV), der sich selbst lädt und nicht an die Steckdose angeschlossen werden kann. Er ist im Grunde ein sehr effizienter Verbrenner, der durch einen kleinen Elektromotor vor allem im Stadtverkehr unterstützt wird. Er bietet eine moderate Verbrauchsreduktion ohne jegliche Verhaltensänderung. Er ist die richtige Wahl für Menschen ohne Lademöglichkeit, die dennoch ihren Verbrauch senken möchten, aber nicht bereit oder in der Lage sind, den Schritt in die Welt des Ladens zu wagen.

Ihre Wahl sollte also auf der ehrlichen Analyse Ihres persönlichen Mobilitäts-Audits basieren. Bewerten Sie Ihre Lademöglichkeiten, Ihr tägliches Fahrpensum und Ihre Langstrecken-Anforderungen. Nur so finden Sie den Antrieb, der nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Ihrem ganz persönlichen Alltag die beste Figur macht.

Geschrieben von Lena Bauer, Lena Bauer ist eine Urbanistin mit über einem Jahrzehnt Erfahrung in der strategischen Verkehrsplanung und der Entwicklung nachhaltiger Mobilitätskonzepte für Städte. Sie ist eine gefragte Stimme in der Debatte um lebenswerte und zukunftsfähige urbane Räume.